Mit dem Zug nach schwedisch Lappland - ein Reisetagebuch
16.02.2009 Montag Nacht
Unser Abenteuer beginnt mit Marvins Ankunft in Stockholm am Montag in der Nacht. Die geplante Ankunft des Flughafenbusses an der Centralstation ist um 1:10. Sowohl der Bahnhof als auch das Gebäude der Busstation haben schon lange geschlossen und ich warte auf einem menschenleeren Platz auf Marvins Bus. Als der Bus ankommt, Marvin jedoch nicht aussteigt versuche ich irgendwo ein warmes Plätzchen zu suchen um auf den nächsten Bus um 1:30 zu warten. Stockholm ist jedoch einfach nur kalt und es gibt nirgends Unterschlupf. Naja, wenigstens ist Marvin im nächsten Bus dabei und wir machen uns auf, den Nachtbus zu suchen, da um diese Zeit keine U-Bahnen mehr fahren. Wir finden eine frühere Station unseres Busses, jedoch hat Marvin noch kein Busticket. Der nette Busfahrer lässt uns aber auch ohne Ticket mitfahren. Das hilft uns jedoch nur bis zum 1. Umsteigen weiter. Dort verpassen wir den 2. Bus und haben immer noch kein Ticket für Marvin. Tollerweise kann man an den Automaten auch nur mit Kleingeld bezahlen, welches wir nicht haben. Da wir eh eine halbe Stunde warten müssen, suchen wir eine Möglichkeit an Münzen zu kommen. Ein Taxifahrer wechselt uns schließlich Geld und Marvin kann ein Ticket kaufen. Wir fahren mit dem zweiten Bus und steigen wieder aus, um auf den 3. Bus zu warten. Ein 7eleven Shop hat zum Glück noch geöffnet und wir können im Warmen warten. Als der nächste Bus kommt merken wir jedoch erst, dass wir in die falsche Richtung eingestiegen sind, als uns der etwas komische Busfahrer auffordert den Bus zu verlassen da dies Endstation sei. Wir warten weitere 20 Minuten auf den richtigen Bus und siehe da, wir steigen zum gleichen Busfahrer wieder ein. Diesmal jedoch in die richtige Richtung. Um 3:30 kommen wir schließlich bei mir im Wohnheim an. Sehnsüchtig packe ich noch in der Nacht meine neue Kamera aus, die mir Marvin mitgebracht hat, und stelle fest, dass der Versand eine falsche Speicherkarte eingepackt hat.
17.02.2009 Dienstag
Wir Frühstücken und ich versuche, das Speicherkartenproblem zu klären. Anschließend machen wir einen Strandspaziergang am Lappis-Strand. Das Meer ist wieder einmal völlig zugefroren. Nachdem wir dann auch eine richtige Fahrkarte für Marvin gekauft haben, machen wir uns auf den Weg zum KTH-Campus, um Marvin die Uni und die Bibliothek zu zeigen.
Danach fahren wir in die Stadt und schauen nach einer neuen Speicherkarte, suchen nach norwegischen Büchern, besteigen den kleinen Berg des Stockholmer Observatoriums, futtern bei MAX und gehen schließlich bei LIDL für unsere bevorstehende Reise einkaufen. Wieder zuhause machen wir uns ans Kofferpacken und kochen noch schnell Spaghetti Bolognese. Nun muss jedoch alles schnell gehen, damit wir rechtzeitig um 20:45 unseren Nachtzug ins ferne Lappland erwischen. Also schnell zur U-Bahn! Die fährt uns zwar vor der Nase weg, jedoch kommen wir trotzdem noch mit etwas Luft am Bahnhof an und finden auch gleich unser Gleis. Ohne zu zögern steigen wir ein und halten noch unsere begeisterten Gesichtsausdrücke auf Foto fest :). Ohne zu wissen, was uns in so einem Nachtzug alles erwartet machen wir uns auf die Suche nach unserem Abteil.
Und ruckzuck sind wir nicht mehr zu zweit, sondern zu sechst, da die anderen 4 Mitreisenden in unserem Abteil genau gleichzeitig mit uns ankommen. Die Verstopfung ist also perfekt und alles steht voll mit Koffern. Wir lösen das Problem gemeinsam und so langsam kehrt Ordnung und Platz in unser kleines Schlafabteil ein. Trotzdem ist es für uns noch unvorstellbar hier die nächsten 14 Stunden zu verbringen.
Mit uns im Abteil sitzen Melanie (eine deutsche Rucksackreisende, die ebenfalls nach Abisko reisen will), Alf und Gudrun (ein älteres schwedisches Ehepaar) und Anna (eine schwedische Omi, die jedoch gut Deutsch sprechen kann). Unsere dreisprachige Kommunikation konnte also beginnen. Der Versuch, neben Englisch, Deutsch und Schwedisch auch noch Französisch einzubringen scheiterte allerdings recht schnell. Auch wenn es für mich immer noch sehr schwer ist schwedische Sätze zu bilden, konnte ich mit Anna, Alf und Gudrun doch ein kleines bisschen Schwedisch sprechen, was deren Begeisterung auslöste. Um 22:00 Uhr war dann jedoch schon Bettaufbauen angesagt. Alf, der sich als Großmeister im Bettaufbauen herausstellte und noch deutlich fitter war als er aussah, zauberte in wenigen Minuten die Sitze zu jeweils 3 übereinander hängenden Betten. Als wir schließlich alle im Bett liegen, unterhalten Marvin und ich uns noch etwas mit Melanie und ich baue nebenher die Kamera auf, was sich jedoch als komplizierter herausstellte als gedacht. Besonders der Trageriemen ist sehr trickreich. Marvin versucht noch, mit seinem GPS Handy unsere Position zu bestimmen, doch langsam werden wir alle von dem Rattern und Schaukeln des Zuges in den Schlaf gezogen.
18.02.2009 Mittwoch
Das erste Licht fällt durch die Scheiben und langsam wachen alle bis auf Melanie auf. Alf, Gudrun und Anna fangen an zu schwätzen, was wir anderen aber abends ja auch noch gemacht haben. Daher steht auch dem Aufstehen nichts mehr im Wege. Zum Frühstück gibt es die mitgebrachten Brote, die wir stilvollerweise im Speisewagen essen. Ich mache die ersten Fotos mit meiner neuen Kamera :)
Eine halbe Stunde später steigen Alf und Gudrun aus. Wir erwischen die beiden gerade noch um uns zu verabschieden. Anna, die auch im Speisesaal saß, verpasst jedoch den Abschied und ist danach etwas traurig. Wieder im Abteil unterhalten wir uns mit Anna über die DDR. Sie ist dabei so vertieft im Erzählen, dass sie beinahe selbst ihren Bahnhof verpasst. Wir weisen sie dezent darauf hin, dass sie sich nun etwas beeilen müsste und hoffen, dass sie rechtzeitig aufstehen kann. 2 Minuten nachdem der Zug schon im Bahnhof steht schafft sie es mit unserer Hilfe gerade noch rechtzeitig auszusteigen. Heydå!
Mittlerweile ist der Himmel strahlend blau und die Landschaft in einen tiefen weißen Zauber gehüllt. Marvin und ich machen die ersten Landschaftsfotos aus dem Zug heraus. Eine Weile später erreichen auch wir unseren Umsteigebahnhof. Wir sind nun in Boden. Von dort aus geht es im Sitzwagen weiter Richtung Abisko, unserem nur 82 Einwohner beherbergendem Ziel… wir haben jedoch trotzdem noch einige Stunden Fahrt vor uns. Gespannt verfolgen wir unsere Positionskoordinaten auf Marvins GPS Handy, denn die Überquerung des Polarkreises bei 66“55° steht kurz bevor. Als es soweit ist, starten wir eine 2er Mini-Laola und essen einen Polar-Brausebär für unsere Polartaufe. Der Zug bahnt sich seinen Weg durch tiefe verschneite Wälder und am Horizont werden die ersten Berge sichtbar. Ich unterhalte mich mit Melanie und wir tauschen E-Mail-Adressen.
Als wir Kiruna passieren können wir schon einen kleinen Ausblick auf ein paar der hässlichen Häuser erhaschen. Doch zum Glück fahren wir ja weiter.
Dann kommt endlich der große Moment: Wir erreichen Abisko. Bewacht von den majestätischen Berg-Pforten der Lapporten liegt das kleine Dorf in der langsam untergehenden Sonne. Wir verabschieden uns von Melanie, die noch 5km zur Abisko-Touriststation weiterfährt und steigen aus. Mit Jeans und Sneakers ist es beinahe unerträglich kalt! Wir machen uns gleich auf die Suche nach unserer Herberge namens „Abisko Fjällturer“ und Marvin meint, das Haus identifiziert zu haben. Der Hinweis den wir hatten, dass das Haus rot sein soll, hilft uns jedoch in Schweden herzlich wenig und es stellt sich auch schnell heraus, dass wir auf der falschen Seite der Gleise gesucht haben. Eine nette Anwohnerin hilft uns weiter und wir spazieren durch den Garten einer kleinen Schule um dann unsere Herberge auf der anderen Seite der Gleise zu finden. Geschafft! Nur welches Haus ist es? Wir betreten das Nächstbeste und konfrontieren den verstört blickenden Bewohner mit „Hello, we have booked a doubleroom“. Da es wohl häufiger vorkommt dass Touristen in sein Wohnzimmer reinplatzen, weist er uns gekonnt auf das Nachbarhaus hin. Sein Haus sei nicht die Herberge. Nach diesem etwas peinlichen Intermezzo endlich im richtigen Haus angekommen, werden wir „freundlich“ vom Hausherrn begrüßt und wir bekommen unser Zimmer und die Küche gezeigt. Wir bekommen auch gleich den Hinweis dass wir uns wegen Warmwassermangel zwischen Dusche oder Sauna entscheiden müssen. Aber da wir zur Sauna-Zeit eh mit den Schneeschuhen unterwegs sein wollen, fällt uns die Entscheidung leicht. Auch wenn eine original schwedische Outoorsauna bestimmt ein Erlebnis gewesen wäre. Als das Handy des Herbergsvaters klingelt und eine Frau nach einem freien Zimmer fragt, werden wir Zeuge einer höchst amüsanten Unterhaltung:
Frau: “Hello, do you speak English” -> Er: “I will try” (Hinweis: mit uns sprach er noch perfekt Englisch) -> Frau: „Thanks. Do you have a free room for the 26./27.?“ -> Er: „No!“ -> Frau fragt nach anderem Datum -> Er: “Doesn’t matter” -> Frau fragt verzweifelt nach wenigstens einem Bett -> Er: „I don’t have even one bed for you“ -> Frau: “Ok, thanks anyway“ -> Er: „Byebye“.
Wir können uns das Lachen kaum verkneifen und zahlen ihm 300 SEK für Übernachtung und Schneeschuhe. Auch wenn der Hausherr etwas mürrisch ist, so ist das Zimmer doch sehr gemütlich. Um keine Zeit zu verlieren ziehen wir uns aber gleich die warmen Sachen an und gehen zum einzigen kleinen Supermarkt. Wieder an den Bahngleisen hören wir die Warnglocke bimmeln. Wie wir es als Deutsche von den Schnellzügen gewohnt sind, bleiben wir brav stehen und warten. Dass der Zug sich nur mit geschätzten 10km/h näherte und wir noch tausendmal über die Gleise hätten gehen können, müssen wir schmerzvoll zur Kenntnis nehmen, als der Zug auch noch genau auf dem Bahnübergang stehen bleibt. Toll! Uns bleibt nur der Umweg, durch hohen Schnee hinter dem Zug die Gleise zu überqueren. Nach dem Einkaufen wieder in unserem Zimmer zurück, schnappen wir uns auch gleich die Schneeschuhe und machen uns auf Richtung Lapporten. Unser Plan: bis in die Nacht hinein zu den Lapporten wandern und dann abseits des Ortes das Polarlicht sehen. Das erste Stück unseres Weges laufen wir noch mit unseren Wanderschuhen, was sich jedoch bald als sehr dumme Idee herausstellt. Denn als wir endlich die Schneeschuhe anziehen wollen frieren uns dabei fast die Finger ab. Hätten wir das besser noch im Warmen gemacht. Langsam bricht die Dunkelheit über uns herein. Und plötzlich: sehen wir da etwa schon das erste Polarlicht am Himmel oder sind das nur Wolken? Wir laufen weiter und die Dunkelheit hüllt uns nun immer mehr in ihre Schleier.
Der Nachthimmel mit den unzähligen Sternen wird immer deutlicher und langsam sind wir uns sicher, dass das da oben am Himmel ein Polarlicht ist! Oder sind es doch nur Wolken??? Als die Finsternis vollends eingesetzt hat, sind wir uns aber 100%ig sicher und überglücklich: es ist ein Polarlicht! Aber nur ein schwaches. Dafür ist der Sternenhimmel umso unbeschreiblicher! Inzwischen sind wir und auch unsere Kameras eiskalt gefroren (wie war das in der Anleitung? Temperaturbereich 0° - 40°.. hmmm) und ich packe die Stirnlampe aus. Wir machen uns auf den Rückweg und folgen unseren Spuren durch den Schnee zurück. Nun stellen wir fest, dass wir ohne Lampe und ohne Schneeschuhe keine Chance gehabt hätten so schnell wieder zurück zu finden. Gute zweieinhalb Stunden sind wir nun insgesamt unterwegs und die Kälte wird langsam unerträglich. Ohne Handschuhe und warme Kleidung wäre sie wahrscheinlich sehr schnell tödlich. Wir schätzen die Temperatur auf -30°. Als wir heimkommen dann der große Schock. Zwei leere Pizzaschachteln liegen auf dem Tisch!! Sind das etwa unsere zwei Pizzen?!? Wir schauen uns mit dem gleichen Gedanken an, stellen dann aber zum Glück fest, dass sich zwei andere Gäste ihre eigene Pizza gemacht haben. Bevor wir uns entschließen auch zu essen, sitzen wir ewig im Zimmer rum und wärmen uns auf. Ein Blick aus unserem Fenster lässt uns jedoch schnell wieder aktiv werden. Unser Polarlicht ist deutlich stärker geworden und schwebt über Abisko im Himmel. Wir schnappen uns sofort unsere Kameras und rennen raus. Die Fotos kosten jedoch ihren (kalten) Preis, da wir wieder unsere Jeans anhaben. Fast erfroren entschließen wir uns, die Aurora von unserem Zimmerfenster aus weiter zu beobachten, da wir ja quasi Logenplätze haben. Nach einer späten Pizza fallen wir schließlich todmüde ins Bett. Unter diesem Link gibt es übrigens jedes Polarlicht als Zeitraffervideo zu sehen.
19.02.2009 Donnerstag
Der Donnerstag beginnt mit dem Aufstehen um 6:30 Uhr morgens, da wir vorhaben wieder mit den Schneeschuhen rauszugehen und den Sonnenaufgang zu erleben. Wie die klare Nacht vermuten ließ, haben wir super Wetter. Wir entschließen uns, anfangs die gleiche Route wie am Mittwochabend zu gehen, wollen dann aber querfeldein durch den unberührten Schnee wandern. Im frühen Licht der Sonne, die sich noch hinter den Bergen versteckt hält, glühen die Lapporten in sanftem Orange.
Wir machen ein paar Posingfotos und ich produziere einen Schneeengel :) Den Plan, auf einen nahe gelegenen Berg hochzuwandern um eine tolle Aussicht zu haben, verwerfen wir relativ bald wieder, da der Weg länger aussieht als gedacht und wir auch schon etwas unter Zeitdruck stehen. Der Sonnenaufgang lässt immer noch auf sich warten und wir machen uns auf den Rückweg. Wieder in Abisko macht sich Marvin auf die Suche nach einem Thermometer, jedoch ohne Erfolg. Wie kalt es wirklich ist, wissen wir also immer noch nicht. Wir stellen nur fest, dass wir genau in dem Moment den Sonnenaufgang verpasst haben! Superklasse!
Für heute haben wir außerdem eine Zugfahrt nach Narvik geplant - die letzten 90km der Strecke. Angeblich soll die Route eine der schönsten Zugstrecken der Welt sein und uns durch eines der norwegischen Fjorde führen.
Da es am Bahnhof keine Tickets zu kaufen gibt, machen wir uns wieder auf den Weg zu Abiskos Supermarkt, um dort nach Tickets zu fragen. Der hat zwar noch nicht offen, aber öffnet in 10 Minuten. Nach dem kurzen Warten kauft sich Marvin bei der Gelegenheit auch gleich wieder eine Cola und eine Postkarte. Außerdem erfahren wir, dass wir die Tickets im Zug kaufen können. Um Punkt 11 Uhr, 4 Min. vor Zugabfahrt, stehen wir dann wieder mit Gepäck am Bahnhof. Doch der Zug kommt nicht und eine Infotafel in der kleinen Wartehalle verrät uns, dass er 40 Min. Verspätung hat.
Wir nutzen die Zeit, um am Bahnhofs-Thermometer endlich die Temperatur zu erfahren (es sind -16°, aber es scheint ja auch die Sonne) und um Leute zu beobachten: ein Mann kommt mit seinem Auto angefahren, steigt aus und schaut in einen mysteriösen Kasten am Bahnhofsgebäude. Kurze Zeit später kommt auch eine alte Frau mit stylischem Schlitten-Rollator angelaufen und geht ebenfalls zu diesem Kasten. Unsere Vermutung, dass in diesem Kasten irgendetwas Spannendes drin sein muss wird immer und immer wieder bestätigt, da nach und nach das ganze Dorf in den Kasten zu schauen scheint. Es liegen Zeitungen darin. Für jeden etwas dabei :) Wir stellen uns die Frage: Was machen die Bewohner von Abisko den ganzen Tag lang? Was arbeiten sie? Um uns herum scheint sich ein totaler Mikrokosmos abzuspielen, in dem Zeit keine Bedeutung zu haben scheint (das erinnert uns auch wieder an den 10km/h schnellen Zug vom Vortag)
Endlich kommt unser Zug.
Während der Fahrt kaufen wir die Tickets und genießen die irrsinnige Landschaft. Es wurde uns nichts zu viel versprochen. Sobald man jedoch ein Foto machen will, sind entweder Bäume oder Tunnel im Weg. Nach ca. 40 Min. Fahrt passieren wir die Schwedisch-Norwegische Grenze und nach ca. weiteren 40 Min. erreichen wir Narvik. Am Bahnhof werden gleich die Rückfahrscheine gekauft und es geht ab in die Stadt. Marvin will nochmal nach norwegischen Büchern schauen und ich plane, endlich einen Thermometer bei Clas Ohlson (großer schwedischer Haushaltsartikelladen) zu kaufen. Außerdem wollen wir versuchen ans Meer zu kommen. Auf dem Weg in die Stadt haut es mich auf einem Stück Glatteis fast hin, ich kann mich jedoch auf spektakuläre (laut Marvin, ich hab’s ja selbst nicht gesehen) Art und Weise auf den Beinen halten. Wir erreichen das erste Einkaufscenter. Marvin findet ein Harry Potter Buch zum Sonderpreis und ich werde dadurch endlich meine norwegischen Kronen los. Da das Meer zu weit weg ist und wir dank dem verspäteten Zug nur 1:10 Stunden Aufenthalt in Narvik haben, machen wir uns auf den Rückweg zum Bahnhof. Dabei kaufe ich mein Thermometer und Marvin schaut nochmal nach Büchern in einem zweiten Einkaufscenter.
Der Rückweg ist mindestens genauso toll wie der Hinweg und wir genießen nochmal die wunderschöne Landschaft. Neben uns sitzt jedoch eine Familie mit einem nervigen, rülpsenden Kind. Auf dem Weg passieren wir Abisko, jedoch geht unsere Reise nun weiter nach Kiruna, wo wir die letzten beiden Tage verbringen werden. Als unser Zug um 17:30 Uhr ankommt, ist es draußen schon relativ dunkel. Eine Hinweistafel am Bahnhof verrät uns, wo wir unser Hotel finden -> es liegt ein weiter Weg vor uns. Los geht es also auf dem verschneiten Fußgängerweg an einer großen Straße entlang Richtung „Gullriset Legenhetshotell“, unserer neuen Herberge. Ein idiotischer Autofahrer verwechselt dann auch noch den Fußgängerweg mit der Straße. Toll! Unterwegs müssen wir feststellen, dass hier ziemlich viele Schornsteine ziemlich viele Wolken verursachen und den Himmel fast völlig vernebeln. Die Chance auf ein 2. Polarlicht sink rapide gegen 0! Wie soll man hier ein Polarlicht sehen können? Es ist mal wieder schweinekalt und der Weg zieht sich. Ankunft Hotel: die Rezeption ist nicht mehr besetzt. Ein Schild sagt uns „Please call 11#“. Ich mache mich auf zum Telefon, bin jedoch zu unfähig zu wählen. Marvin regelt das :). 10 Minuten später kommt die Frau vom Hotel angefahren und wir können einchecken. Ein nettes Appartement mit Küche, Bad und großem Zimmer. Jetzt müssen wir aber schnell was zu essen kaufen und dann die Tourist Information aufsuchen, um für Freitag eine Hundeschlittentour zu buchen. Wir sind schon spät dran… es ist kurz vor 7 am Abend. Der nahe gelegene Coop-Supermarkt hat zum Glück bis 22 Uhr auf, also können wir erstmal den Rest erledigen. Es folgt ein fast 25 minütiger Fußmarsch am Straßenrand entlang. Es ist saukalt, ungemütlich und der Himmel ist völlig vernebelt. Kiruna sucks!!!
Dann tut sich vor uns das für seine Hässlichkeit berühmte Stadthaus auf. Jedoch finden wir beide, dass es sooo hässlich auch wiederum nicht ist und machen Fotos. Ebenso von der danebenstehenden MAXUS-Rakete. Die Tourist Information hat wie erwartet schon geschlossen, aber es gibt jede Menge Info-Material in der Eingangshalle -> Suche nach Hundeschlitten-Touren. Wir finden nur 2 gute Angebote… der Rest ist zu teuer für zu wenig Leistung (Tourdauer nur ca. 3h). Jedoch stellt sich uns bald folgendes Problem: Unser Plan für Freitag sieht sowohl die Dog-Sledge Tour vor als auch den Besuch des Ice-Hotels in Jukkasjärvi. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, da es nur sehr wenige passende Busse zum Ice Hotel gibt. Alle coolen Dog-Sledge Touren würden 4 Stunden dauern, was aber für Jukkasjärvi schon zu spät wäre. Außerdem ist es fraglich ob es überhaupt noch freie Plätze gibt und den Zettel mit weiteren Angeboten aus dem Internet haben wir im Hotel vergessen. Es ist nun auch schon 20 Uhr. Miese Stimmung macht sich unter uns breit! Ich rufe den ersten Veranstalter an, bei dem wir Hundeschlitten mit SnowMobiles kombinieren könnten, jedoch geht keiner mehr ans Telefon.
Die langen Touren fallen alle flach, also bleibt nur noch die Möglichkeit, einen der schlechteren Anbieter zu wählen. Beim Erstbesten bekommen wir dann tatsächlich noch zwei Plätze für den nächsten Morgen. Naja, nicht optimal, aber wenigstens klappt die Hundeschlittentour überhaupt noch. Sie wird schon nicht sooo schlecht werden. Wir schauen uns noch die Kirche von Kiruna an. Das einzige schöne Gebäude in der Stadt. Beim Fotografieren frieren uns wieder fast die Finger ab und jedes Bild kostet einen schmerzhaften Tribut. Ich messe währenddessen mit dem neuen Thermometer die Temperatur. Die offizielle Kiruna-Temperatur bestimmen wir schließlich auf -17°. Tiefer will die Nadel nicht sinken. Trotzdem sind wir uns sicher, dass in Abisko -30° geherrscht haben :).
Beim Coop gibt es dann noch 2 Fertig-Mikrowellengerichte „Schnitzel“, die wir zurück im Hotel auch gleich verspeisen. Die hoteleigene Sauna hat leider zu, also gehen wir voller Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett.
20.02.2009 Freitag
Die geplante Abholung zur Dog Sledge Tour ist um 9:55 Uhr vor der Rezeption unseres Hotels. Die tatsächliche Abholung findet um 10:12 Uhr statt -> Schon die ersten 12 Minuten der 3 stündigen Tour weg. Während der Fahrt in einem grünen VW Bus zur „Umkleidestation“ sitzt ein junges schwedisches Pärchen mit uns im Auto. Nach der Ankunft, weißt uns eine asiatisch aussehende Frau in die warme Kleidung ein. Alles geht sehr schnell und lieblos! Wir bekommen Jackenhosen zum drüberziehen über unsere eigene Kleidung, Schuhe und Mützen. Meine Schuhe sind viel zu groß. Ich frage nach kleineren. Das Resultat: ich bekomme noch größere. Auf eine erneute Frage nach kleineren Schuhen die Antwort: „Nein, das passt schon, Luft isoliert schließlich“ -> Skepsis!! Die Schuhe sind 10 Nummern zu groß!! Egal, es geht los. Inzwischen sind auch noch andere junge Leute dabei. Alles Studenten aus Schweden, Deutschland und Frankreich. Kaum sitzen wir im Auto, müssen wir aber auch schon wieder aussteigen, da wir vorher bezahlen sollen. Schließlich erfolgt endlich die Abfahrt Richtung Startpunkt. Dort stehen schon der Hundeanhänger und 3 Schlitten. Unzählige Hundenasen schauen aus schmalen Schlitzen aus dem Anhänger raus. Lautes Gejaule! Die Schlitten werden fertiggemacht. Je Schlitten ein Gespann von 8 Hunden.
Wir sitzen im letzten Schlitten: Marvin vorne, dann ein Franzose, dann ich. Die Fahrerin steht hinten auf dem Schlitten. Wir fahren als letztes los und haben kleine Anfahrtsschwierigkeiten. Dann geht es aber gleich mit vollem Tempo los! Beeindruckend, welche Beschleunigung die Hunde bringen. Die Reise geht durch ein kleines Wäldchen und über einen gefrorenen See. Dabei erzählt die Fahrerin über die Hunde und deren Laufarten sowie Kommandos. Nach ca. 25 Minuten Fahrt kommen wir bei 2 Indianerzelten im Wald an und ich mache Fotos von den Hunden.
Mikael, der Besitzer der Hunde, macht Feuer und verteilt uns Tee, Kaffee, Brot (welches Marvin wegen des Käses nicht schmeckt) und Mini-Muffins. Er erzählt eine Menge, leider auf Schwedisch. Ich verstehe etwas, aber eigentlich ist es nicht sonderlich höflich den anderen gegenüber. Dann erzählt er auf Englisch, dass es eine Reportage über seine Hunde im kanadischen Fernsehen gab und dass die Hunde 2000kg Fleisch in 6 Wochen essen. Außerdem betont Mikael immer wieder, die Schlittenhunde aus Lappland wären viel leistungsfähiger als die sibirischen Huskys. Nach ca. 15 Minuten fahren wir weiter. Es liegen nur noch 1/3 der Strecke vor uns… aber bergauf. Unsere Fahrerin schiebt mit an. Wir kommen wieder am Ausgangspunkt an. Die Hunde werden wieder eingeladen und es folgt die Rückfahrt mit anschließendem Umziehen. Wir sind uns beide sicher, dass unsere eigenen Schuhe wärmer gewesen wären.
Das Resumé: unsere Fahrerin war wirklich ganz nett, sonst war die ganze Tour aber etwas lieblos. Die Uhr sagt 12:30. Eine halbe Stunde kürzer als geplant. Unsere Idee, Mikael zu fragen ob er uns am Ice Hotel absetzen kann geht leider auch nicht auf. Aber er fährt uns bis zur Kiruna Busstation. Es herrscht viel Andrang am Bus nach Jukkasjärvi, dem Dorf in dem das Ice Hotel steht, und es ist wiedermal sau kalt. Zum Glück sind wir fast die ersten im Bus und die Fahrt ist billiger als gedacht.
Jukkasjärvi ist ein sehr idyllisches Dorf und entschädigt uns für das hässliche Kiruna. Wir fühlen uns wieder wohl. Im Ice Hotel gibt es eine Menge zu sehen und jedes Zimmer wird von uns fotografiert und getestet. Aber es ist alles viel zu beeindruckend um es mit Worten zu beschreiben, daher sollen die Bilder sprechen. Vor allem die Absolut Ice Bar ist sehr eindrucksvoll!
Draußen vor dem Hotel erstreckt sich ein großer, mit Schnee bedeckter, zugefrorener See und bietet eine atemberaubende Atmosphäre. Marvin rutscht mit einem Schlitten einen kleinen Hang runter. Der Rückfahrtsbus geht erst um 18:00 Uhr, also haben wir noch Zeit die Kirche von Jukkasjärvi anzuschauen. Die ist aber ewig weit weg und wir kaufen uns unterwegs im Supermarkt Muffins und Kekse, die auch gleich im nächstbesten Bushäuschen verspeist werden.
Nach ca.1 km zu Fuß erreichen wir die Kirche. Sehr hübsch! Gleich nebenan finden wir ein Sami-Museum. Es hat sogar noch offen, also nix wie rein! Im Museums-Handicraft-Shop sitzt ein gelangweilter Typ, der uns erzählt dass der Eintritt 150 SEK (ca. 15€) kostet -> viel zu teuer! Angeblich gibt es dort aber drei „retired reindeers“ zu sehen. Alleine die Vorstellung der 3 greisen Rentner-Rentiere, die aus Mitleid vor ihrem Tod noch im Museum rumstehen dürfen bringt uns zum totlachen. Vor allem stellt sich uns die Frage nach dem Preis-Leistungsverhältnis.
Nach dem Rückweg zum Eishotel schauen wir es uns nochmal bei Dunkelheit an und treffen das rülpsende Kind aus dem Zug wieder. Bis der Bus kommt, wärmen wir uns in der Rezeption noch etwas auf. Um Punkt 18:00 Uhr stehen wir dann an der Haltestelle, jedoch kommt kein Bus. Zusammen mit vielen Japanern / Chinesen (ganz nebenbei stelle ich fest, dass alle Japaner / Chinesen viel zu dünn angezogen sind und alle eine Brille tragen) hoffen wir gute 20 Minuten darauf, dass der Bus kommt um uns vom Frieren zu erlösen. Jedoch biegt jeder ankommende Bus vorher irgendwo ab.
Endlich fährt einer direkt zu uns… und genauso direkt an uns vorbei. Alle schreien in unzähligen verschiedenen Sprachen ein verzweifeltes „Neeeeiiiiinnnn“. Kurz darauf kommt zum Glück der richtige Bus, bevor wir alle erfroren wären. Wieder in Kiruna gibt es nochmal ein Fertiggericht. Diesmal Frikadelle. Das Schnitzel vom Vortag war jedoch besser / anders :)
21.02.2009 Samstag
Der Plan für Samstag: Herausfinden ob es neben Taxis und dem einzigen öffentlichen Bus einen Flughafenbus gibt, Kirunas Kirche von innen anschauen, das Stadthaus von innen anschauen und eventuell die Minentour machen (wenn es einen späteren Bus gibt). Wir gehen zum Infobüro.
So langsam hängt uns der ewige Weg zum Hals raus. Heute herrscht eisiger Wind von allen Seiten und Schneeverwehungen auf der Straße machen das Gehen zu einem anstrengenden Unterfangen. Die Stadt wirkt wie ausgestorben… und das an einem Samstag!! Die einzigen Bewohner Kirunas scheinen Schnee und Eis zu sein. Das Infobüro hat sogar offen. Wir fragen nach einem Bus -> Fährt nur im Sommer! (Warum das???). Es gibt nur den öffentlichen Bus und die Frau an der Theke schaut stolze 5 Minuten im Internet nach dem Fahrplan. Man bemerke: Es gibt nur einen einzigen Bus am Tag zum Flughafen von insgesamt 4 Buslinien in ganz Kiruna… warum weiß die Frau die Zeiten nicht auswendig oder hat sie zumindest irgendwo auf einem Zettel stehen?!? Sind wir die ersten Menschen, die je in Kiruna zum Airport wollen?!? Wir sind verwirrt. Naja, jedenfalls ist der Minenausflug damit gestorben. Es geht weiter zur Kirche und wir schlagen uns durch hüfthohen Schnee. Von innen ist sie ebenfalls ganz hübsch! Am Stadthaus angekommen versprechen uns die Öffnungszeiten an der Tür, es hätte geöffnet. Der große Schneeberg davor ohne jegliche Fußspuren lässt uns aber ahnen, dass wir seit langem die einzigen Wesen sind, die dieses Gebäude betreten wollen. Es hat zu!
Auf dem Rückweg zum Hotel machen wir noch einen Abstecher zu Kirunas Sjukhuset, dem Krankenhaus an dem sich Marvin für ein Praktikum beworben hatte.
Ein trostloses Gebäude mit einem völlig leeren Parkplatz davor zeigt sich uns und Marvin erzählt, das Krankenhaus hätte sogar nur im Winter geöffnet und würde zur Sommerzeit den Betrieb einstellen. Nachdem wir im Hotel unser Gepäck geholt haben, gehen wir ein letztes Mal den langen Weg zum Busbahnhof und fahren zum Airport. Unser Flieger geht erst um 16:00 Uhr, aber der einzige Bus fährt um 11:55 und 40€ für eine 8km lange Taxifahrt zu zahlen sehen wir nicht ein. Als sich die Stunden des Wartens in dem winzigen Terminal dem Ende zu neigen, können wir beim Einstieg in unsere MD-82 Maschine ein letztes Mal Polarluft atmen.
Mit der Ankunft unseres eineinhalb-stündigen Fluges in Stockholm Arlanda endet unsere lange Reise nach schwedisch Lappland. Ob wir wiederkommen? Bestimmt! Aber ob es nochmal Kiruna sein wird, das wissen wir nicht.
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